Mittwoch, 17. Juni 2015

woher die Kraft nehmen

Nils Zustand verschlechtert sich weiter. Er liegt im Sterben, Schon am Montag im Laufe des Tages lagerte er deutlich sichtbar und rasant Wasser ein. Während ich für Nils zwischen Hoffen und Bangen schwebte und einfach nicht auhören konnte zu weinen, haben die Schwestern und Ärzte mich mit Nadine überrascht.

Ihr Zustand war unverändert, aber hatte sich soweit stabilisiert, dass ich sie “kanguruhen” durfte, d.h. sie für  darf für einen kurzen Zeitraum aus dem Inkubator darf und auf meinen Bauch bzw. Brust gelegt wird. Bisher durfte ich die beiden nur ganz steril mit Kittel und Handschuhen durch zwei Löcher im Inkubator berühren.

Ich war so überwältigt von dieser Nachricht, daß ich in mich zusammengesunken bin und auch einfach nur geweint habe – vor Glück – weil ich damit gar nicht gerechnet hatte und mich auch nicht getraut habe zu fragen.

Da dieses Raus und Rein in den Inkubator für die Kinder doch sehr stressig ist, soll man für das Kanguruhen viel Zeit einplanen. Somit haben wir auch wegen der Versorgung usw. einen Termin für 15:30 Uhr festgelegt.

Aufgrund der Aufregung und auch der unendlichen Sorge um Nils baute ich im Laufe des Nachmittages immer mehr ab. Mein Blutdruck stieg langsam aber stetig.

Obwohl ich am Sonntag und Montag morgen schon selbstständig bis zur K4 laufen konnte, wurde ich nun vorsichtshalber wieder von Berthold mit dem Rollstuhl geschoben, damit ich meine Kraft für das Kanguruhen sammeln und sparen konnte.

Als wir runter kamen, teilte uns die Schwester dann jedoch mit, daß der Co2 Wert (Ausatmung) von Nadine kurzfristig schlechter geworden war, und man die Beatmung wieder “hochnehmen” musste, d. h. den Sauerstoffgehalt erhöhen musste. In Anbetracht aller anderen Dinge eigentlich undramatisch und dies war auch zwischendurch immer mal wieder passiert. Doch hier hatte es mir das kanguruhen “versaut” und schlichtweg den Boden unter den Füßen weg gezogen.

Wir sind dann trotzdem kurz bei den beiden geblieben und sind dann wieder hoch auf mein Zimmer. Berthold musste dann auch wieder fahren, weil er sich ja auch um Lennard und Marvin kümmern musste.

Mir war irgendwie schlecht und mir ging es nicht gut. Also versuchte ich zu schlafen, was mir auch für eine Stunde ungefähr gelang. Als ich wach wurde, ging es mir richtig schlecht. Ich rief eine Schwester, welche meinen Blutdruck maß. Den Rest habe ich irgendwie “wie im Delirium” wahrgenommen. Die Schwester wurde ganz hektisch und schnell und plötzlich standen ganz viele Leute um mein Bett. Mir wurde irgendwas in den Mund gegeben (später erfuhr ich, daß es eine schnellwirkende Pille zum Blutdrucksenken war).

Ich bin im wahrsten Sinne des Wortes zusammengebrochen. Mein Blutdruck ist dann zwar schnell etwas runtergegangen, aber ich durfte an dem Tag nicht mehr aufstehen. Doch wie gesagt, ich stand auch neben mir. Abend kam dann hier noch der Krankenhauspfarrer Thomas Thiesbrummel. Mit ihm haben wir noch lange geredet und gebetet. Danach konnte ich in der Nacht ein wenig schlafen. Berthold schläft seit einigen Nächten hier, damit ich nicht allein bin. Doch er muss morgens gegen 5 Uhr wieder nach Hause um die anderen beiden fertig zu machen. Er versucht, deren Tagesablauf so “normal” wie irgendmöglich zu gestalten.

Morgens um 7:00 Uhr (Dienstag) habe ich mich dann von den Schwestern wieder zu K4 bringen lassen. Leider hatte sich Nils Zustand weiter verschlechtert. Er lagert immer mehr Wasser in und um die Organe und am ganzen Körper an. Der Arzt erklärte mir, daß diese Einlagerungen mittlerweile so massiv sind und anfangen die anderen Organe “einzuquetschen” oder “aufzuquellen”. Beides sei auf Dauer “nicht mit dem Leben vereinbar”.

Er sah dann aber auch, daß ich wieder im Rollstuhl nach unten gekommen bin und noch darin saß, obwohl ich die zwei Tage zuvor ja schon wesentlich kräftiger war. Ich erzählte ihm von meinem Zusammenbruch und daß ich mich soooo sehr auf das kanguruhen gefreut hatte und mich auf den Nachmittag freute, weil wir es dann erneut versuchen wollten. Er sagte dann spontan, er wolle mit der Schwester sprechen, ob dies nicht auch schon vormittags möglich wäre. Keine 5 Minuten später kam die Schwester und sagte, wir könnten kanguruhen – sofort. Ich war schlichtweg überwältigt. Ich habe das Frühstück und das Abpumpen vergessen und habe mit meiner Tochter gekuschelt. 2 Stunden lang – es war unglaublich. Sie war völlig relaxed und tiefenentspannt und wir beide haben es einfach nur genossen.

 

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Schaut euch doch nur mal diese Mini-Hände an. Unter der Hand liegt mein Zeigefinger-Nagel.

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Es war unglaublich und so klein wie dieser Körper ist, so hat er mir in diesen zwei Stunden Trost, Hoffnung und Kraft gegeben. Dennoch war ich, als ich wieder oben war erschöpft.

Nachdem ich eine Mahlzeit ja nun auch nicht abgepumpt hatte, war ich obendrein auch kurz vorm Platzen – aber das war es wert.

Ich habe dann auch erst ein wenig geschlafen. Nachmittags bin ich dann zwischenzeitlich wieder etwas “abgedriftet”. Obwohl ich kein Beruhigungsmittel bekommen habe, stand ich doch wie betäubt – zwischenzeitlich neben mir. Doch ich hatte hier sehr lieben Besuch von meiner Mama, meiner Schwester und einer befreundeten Psychotherapeutin, mit deren Hilfe Berthold und Ich schon im Herbst die Fehlgeburt verarbeitet haben.

Am frühen Abend bin ich dann wieder runter, doch ich hatte richtig Angst den Inkubator von Nils aufzuschlagen (Die sind immer zugedeckt, damit die Mäuse möglichst viel Ruhe haben) . Mit Hilfe einer Schwester konnte ich es dann aber doch. Und auch wenn ich versuche mich zusammenzureißen, so bin ich doch bitterlich am weinen. Berthold kam dann auch zurück und dann fragte die Schwester ob ich Nils nicht in den Arm nehmen wollte. Dies wurde mir morgens noch gesagt, ginge beim Nils nicht so gut, weil er einfach zu instabil und krank sei.

Im Laufe des Tages hatte man jedoch auch die Medikamente und Geräte auf ein absolutes Minimum runtergefahren um ihn nicht auch noch unnötig zu quälen. Doch er bekommt Morphium und lt. den Ärzten leidet er momentan keine Schmerzen (kann man anhand des Herzschlages und des Pulses wohl erkennen)

Abends durfte ich ihn dann auf den Arm nehmen. Auch brauchte ich keine Handschuhe anziehen. Pfarrer Thiesbrummel kam auch noch zu uns. Obwohl ich vorher nur weinen konnte, war ich plötzlich ganz ruhig und konnte die Zeit mit meinem kleinen Prinzen genießen. Auch wenn es mir noch so schwer fällt, so muss ich ihn doch seinen Weg gehen lassen.

Eine Hand von Nils ist nicht so “aufgequollen” und zwischendurch merkte ich richtig, wie fest Nils meinen Finger hielt. Ich glaube auch er hat diese Zeit auf Mamas Arm genossen.

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Nach einer doch sehr kurzen Nacht werde ich jetzt gleich wieder runtergehen. Kein Arzt kann uns sagen, wie lange der kleine Mann noch kämpfen kann – das kann auch plötzlich ganz schnell gehen. Doch ich musste mich jetzt erst einmal sortieren und das alles runterschreiben und festhalten. Das hilft mir ungemein dabei, nicht völlig durchdrehen.

Jetzt musste ich dadurch Kräfte sammeln um den heutigen Tag irgendwie durchzustehen.

 

Danke an alle die durch ihr liebevollen Worte, Gebete, Kerzen, SMS, Emails  und auf andere vielfältige Weise uns soviel Trost und Kraft spenden.

LG

Berthold und Nicole

9 Kommentare:

Willkommen auf heggis-kreativblog! hat gesagt…

Liebe Nicole, lieber Berthold,
es tut mir so unendlich Leid für Euch, das es um Euren kleinen Nils so schlecht steht. Ich wünsche Euch weiterhin ganz viel Kraft für die kommende Zeit und drücke Euch fest die Daumen. Die innige Zeit mit der kleinen Nadine hat Euch viel Kraft gegeben und ich werde auch weiterhin in Gedanken bei Euch sein.
Ganz liebe Grüße
Sandra

Ingeborg hat gesagt…

Liebe Nicole,

immer wieder fange ich meinen Kommentar an und lösche ihn wieder. Es ist so traurig, und mir fehlen einfach die richtigen Worte das auszu-
drücken was ich empfinde. Ich bete ganz fest für euch.

Liebe Grüße
Ingeborg

Conny Kreative Stempelideen hat gesagt…

Liebe Nicole,

mir geht es wie Ingeborg. Immer wieder habe ich angefangen Dir zu schreiben, immer wieder habe ich die Worte gelöscht...
Wie habe ich mich gefreut, als Du von Deiner Schwangerschaft geschrieben hattest und dann noch zwei Mäuse. Jeder weitere Post wurde mit Wonne gelesen und der nächste Bericht von euch dreien erwartet.
Bis letzte Woche. Ich war einfach nur entsetzt, freute mich riesig mit euch über jeden Fortschritt und bin total bestürzt über die Entwicklung.

Es tut mir so leid und ich weiß, dass ich nicht die richtigen Worte finde.

Fühl dich ganz fest umarmt.
Ich denke an euch und bete....
liebe Grüße aus Hessen
Conny

Miriam hat gesagt…

Liebe Nicole,

Ich sitze hier und seine....unfassbar wieviel Kraft ihr habt.

Ich denke an euch und bete.

Miriam

Froilainchen B. hat gesagt…

Ich weiß grad gar nicht, was ich sagen soll... Und weine nun einfach mit dir... Man darf auch mal kraftlos sein... <3

Anonym hat gesagt…

Liebe Nicole, ich kenne dich nicht und hatte nur über eine FB-GRUPPE über euer Schicksal gelesen. Es tut mir so leid was ihr durchmachen müsst. Ich wünsche euch weiterhin viel kraft. Ich schließe euch in meine Gebete ein.

LG von einer Zwillingsmama

Anonym hat gesagt…

Ihr Lieben!
Achje,was Ihr durchmachen müßt.
Ich wünsche Euch weiterhin alle Kraft,das durchzustehen.
Fühlt Euch gedrückt,GLG MSBine

pecreative.de hat gesagt…

Die richtigen Worte finden ist schwer, deswegen sende ich euch ganz viel Liebe und alle Kraft die ich entbehren kann!!!
Von Herzen
Petra

Samia hat gesagt…

Hallo und guten Morgen!

Unglaublich, was ihr da durchmachen müsst. Ich wünsche den Kindern und der ganzen Familie liebevolle Engel, die euch zur Seite stehen und euch trösten und Kraft spenden. Alles wird Gut!
Liebe Grüße